Wir sind alle unterschiedlich (oder divers; englisch: diversity): vom Alter her, vom Geschlecht, von der Herkunft, von der Kultur, vom Glauben, von der Konstitution, von den Gewohnheiten, von dem was mir mögen, von dem was wir ablehnen, vom Bildungsstatus, von unseren Stärken, von unseren Schwächen, von den Diagnosen, von den Einschränkungen… In der Werbung oder auf den sozialen Plattformen finden wir vom Anschein her immer häufiger optisch sehr ähnliche und nahezu „perfekte“ Menschen (Die „perfekte“ Frau: große Augen, kleine Nase, volle Lippen, hohe Wangenknochen schmale Taille, lange Beine, …). Viele scheinen genauso „perfekt“ wie die öffentlichen Vorbilder aussehen zu wollen. Das lässt zumindest die steigende Anzahl der plastischen Eingriffe vermuten. Eigentlich ist es sehr schade, denn gerade die Vielfalt ist so schön. Und Gott sei Dank haben wir alle unterschiedlichen Geschmäcker was für uns schön/gut/anziehend/sympathisch… ist.
„Innerlich“ zieht es uns generell zu Gleichgesinnten hin, und das ist gut nachvollziehbar. Egal ob wir gerade verliebt sind, vor einer Hochzeit stehen, uns in einem Scheidungsprozess befinden, frisch gebackener Single oder Mama/Papa geworden sind… Mit Gleichgesinnten lässt es sich am besten austauschen und man hat das Gefühl, besser verstanden zu werden. Das ist wohl der Grund, warum immer mehr nach einem „Seelenpartner“ für das gemeinsame Leben suchen. Und auf der Arbeit ist es das Gleiche. Es verbindet, wenn wir gemeinsam bei einem neuen Arbeitgeber angefangen und ähnliche Hürden zu bewältigen haben, wenn wir kurz vor einer Beförderung oder Kündigung stehen, wenn wir gleiche Aufgaben zu bewältigen haben, gleichzeitig einen Veränderungsprozess durchmachen… Im Prinzip finden sich immer Dinge, die uns verbinden, und Dinge, die uns spalten (könnten). Das gilt für eine Beziehung gleichermaßen wie für eine gute Freundschaft oder für das Kollegium. Wären wir alle gleich, wäre es langweilig. Wir würden vermutlich die Harmonie verfluchen. Und genauso ist es auch, wenn es um Menschen mit Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz geht. Sie machen den Arbeitsplatz diverser, egal ob diese Diversität nach außen sichtbar ist, oder nicht. Häufig fühlen sich MS-Betroffene alleine mit ihren Problemen und Sorgen, aber viele Arbeitnehmer ohne MS-Diagnose haben ebenfalls mit sichtbaren oder unsichtbaren Beeinträchtigungen (psychische Leiden, chronische Magen-Darm-Beschwerden, Migräne oder Schmerzen jeglicher Art…) zu tun. Ob dies der Fall ist, kann man nur feststellen, wenn man sich einzelnen Kollegen gegenüber öffnet. Wenn der Arbeitgeber es ebenso schafft, das soziale Miteinander zu fördern, werden die Mitarbeiter mit Sicherheit lieber zur Arbeit gehen und motivierter ihre Arbeit verrichten. Am Ende kann aus der Vielfalt an Know-how, Erfahrungen, Denkansätzen, Persönlichkeiten usw. ein Team schöpfen und dieses als Potenzial nutzen.
Betroffene, die ihre Sorgen ausschließlich für sich behalten, können keine Unterstützung und Verständnis von ihrer Umgebung erwarten. Und die, die unwissend sind oder Vorurteile gegenüber dem Unbekannten und Andersartigen haben, können Verursacher für böses Blut sein, denn das Unbekannte und Fremde kann ängstigen und verunsichern und zu Fehlverhalten verleiten. Vorurteile und Missgunst entstehen meistens durch Unwissen. Deswegen ist es empfehlenswert diesem Unwissen durch Aufklärung/Prävention/Austausch zu begegnen. Es ist gut nachvollziehbar, wenn Menschen mit MS oder einer anderen neurologischen Diagnose Bedenken haben, diese auf der Arbeit öffentlich zu machen, denn Vorgesetzte und Kollegen könnten falsches, veraltetes und/oder eingeschränktes Wissen in Bezug auf die Diagnose haben und aufgrund dieser, Vorurteile entwickeln, welche sich ungünstig auf die Betroffenen auswirken. Und Vorurteile gibt es viele in Bezug auf Diversität: Vorurteile in Bezug auf Männer, Frauen, Generationen, Kulturen, Andersgläubigen, Krankheiten… Um dem entgegenzuwirken, gibt es Möglichkeiten, diese aus dem Weg zu räumen. Am besten geschieht dies in einer gelockerten Umgebung und Atmosphäre.
Hier gebe ich Euch ein paar Beispiele, wie ihr euch auf der Arbeit begegnen könnt, um euch besser kennen und verstehen zu lernen. Voraussetzung dafür ist sowohl die Offenheit von Seiten des Arbeitsgebers als auch von Seiten der Mitarbeiter. Bei Beispielen, bei denen währenddessen weniger Austausch stattfinden kann (z.B. beim gemeinsamen Singen), sollte man im Anschluss Möglichkeiten für einen Austausch einräumen.
- Workshop zum Thema Diversität. Hier möchte ich euch ein Beispiel nennen, was ich im Rahmen meines Masterstudiums mit einer Kommilitonin ausgearbeitet habe: Im Falle eines von der Altersstruktur sehr diversen Kollegiums kann man z.B. gemeinsam herausarbeiten, was jede Generation ausmacht, wofür sie steht, was ihr wichtig ist… (Generation Baby Boomer, Generation X, Y…). Die Ergebnisse werden auf hübsch angefertigten Postern mit Abbildungen/Fotos und kurzen Texten oder Schlagwörtern festgehalten und dann in einem Raum, der von allen genutzt wird, als Gedächtnisstütze und zum gegenseitigen Verständnis aufgehängt.
- Raum der Begegnung: ein gemütlicher Raum, indem man sich trifft (und nicht über die Arbeit spricht)
- Projekt gemeinsam Gärtnern: gemeinsame Pflanzprojekt (Hochbeete), die das ganze Jahr über zusammen bewirtschaftet werden
- Regelmäßige Ausflüge im Team, bei denen man sich gut austauschen kann oder bei denen Teamgeist gefragt wird (Schnitzeljagd o.ä.)
- Gemeinsamer Sport während/nach der Arbeit z.B. auch im Sinne des betrieblichen Gesundheitsmanagements
- Afterjob-Partys
- Gemeinsame Mahlzeiten (eventuell auch zusammen zubereitet)
- Betriebschor (gemeinsames Singen)
- Betriebsband (gemeinsames musizieren)
- Spielenachmittag/-abend
- betriebliches Repair-Café
- Aufbau eines internen Netzwerks (Social Intranet)
Niemand ist gezwungen, auf der Arbeit über seine Diagnose zu sprechen, aber manchmal kann es einen erleichtern. Claudia Brunner (Blogbeitrag vom 18.04.24 in Form eines Interviews) hat es nicht bereut, ihre Diagnose auf der Arbeit bekannt gemacht zu machen und auch immer mehr Prominente stehen zu ihrer Erkrankung. Es erfordert Mut und niemand kann einem garantieren, dass es positiv aufgenommen wird. Aber je mehr die Öffentlichkeit darüber aufgeklärt wird, desto eher können Irrtümer abgebaut werden.