Die Finger fühlen sich fremd an, kribbeln, sind (teilweise) taub, steif, schwach oder tun nicht das, was ihr wollt (z.B. greifen nicht zielgerichtet) … Dann ist es – auch wenn es durch diese Symptome mühsam ist – wichtig diese zu fordern, denn:

Hier gilt das Prinzip „Use ist or loose“ bzw. auf Deutsch: „Benutze es, oder Du verlierst es“. Damit ist gemeint, dass körperliche Strukturen (z.B. Muskeln oder neuronale Vernetzungen) sich zurückbilden, insofern diese nicht oder nur unzureichend genutzt werden. Ein Muskel, der nicht gefordert oder nur durch andere bewegt wird, bildet sich zurück, indem er an Volumen und Kraft verliert. Ein gutes Beispiel dafür, ist z.B. ein gebrochener Oberarm, der nach einigen Wochen Ruhigstellung im Gips dünn und schwach geworden ist. Ein anderes Beispiel: wir haben in der Schulzeit eine Fremdsprache erlernt. Wenden wir diese Jahre lang nicht an, geht das Wissen darüber (teilweise) verloren.

In Bezug auf die Fingermotorik bei MS-Betroffenen bedeutet das ebenfalls, dass ihr diese immer weiter einsetzen solltet, um Funktionsverlust vorzubeugen, auch wenn diese durch die (vorübergehende oder dauerhafte) Nervenschädigung beeinträchtigt sind. Am wenigsten zeitlich aufwendig ist es, wenn wir dies im Alltag tun. Optimal sind Beschäftigungen, die uns Freude bereiten, weil wir dann nicht so schnell aufgeben.

Was könnte dies sein?

Eigentlich alle Hobbies bei dem die Hände auf unterschiedlichste Art zum Einsatz kommen:

  • Backen oder Kochen (am besten mit wenig Einsatz von Küchenmaschinen)
  • Handarbeiten
  • Ballsportarten in denen die Hände zum Einsatz kommen (auch Tischfußball oder Billard))
  • Drachen steigen lassen
  • Klettern
  • ein Instrument spielen
  • Malen und Zeichnen
  • Basteln (mit Papier, Klebearbeiten, Knete oder Fimo z.B.)
  • Handwerken
  • Gärtnern
  • Geschichten schreiben (mit Stift oder Tastatur)
  • Lesen (mit einem richtigen Buch, bei dem die Seiten umgeblättert werden müssen)
  • Gesellschaftsspiele mit Spielfiguren, Karten und/oder Würfeln besonders auch Mikado oder Jenga
  • Puzzeln
  • Fingertwist

Aber auch typische Alltagshandlungen trainieren wunderbar die Hände:

  • An- und auskleiden (mit Knöpfen und Reißverschlüssen)
  • Wäsche auf- und abhängen (das Handling mit Wäscheklammern!)
  • Wäsche falten
  • Bügeln
  • Putzen
  • Münzen aus dem Portemonnaie greifen
  • auf einem Smartphone tippen
  • Haare frisieren
  • Nägel lackieren
  • Tiere streicheln 😊
  • Früchte ernten
  • Nüsse knacken

Um die Hände vorab etwas vorzubereiten könnt ihr diese bei Taubheitsgefühlen fordern, indem ihr sie mit einem Massagehandschuh, Waschlappen oder kleinem Handtuch „wach“ rubbelt. Auch ein Igelball kann dafür eingesetzt werden. Darüber hinaus könnt ihr die Hände einfach selbst intensiv (eventuell mit einem warmen Öl) massieren.

Bei Steifigkeit/Spastik können Handbäder in lauwarmem Wasser wohltuend sein. In der Ergotherapie werden dazu auch gerne Linsen- (aufgewärmte Linsen in einer Wanne) oder Paraffinbäder genutzt.

Um die Handfunktion zu unterstützen, ist es manchmal empfehlenswert Hilfsmittel zu verwenden. Bei einem instabilen Handgelenk z.B. ist eine Schiene/Manschette/Orthese günstig, die das Handgelenk stabilisiert, und dadurch die Fingermotorik vereinfachen kann. Sind vereinzelte Finger von einer Spastik betroffen, können Quengelschienen hilfreich sein, welche die zur Verkürzung neigenden Beugesehnen aufdehnen sollen.

Bei stark mit Wasser eingelagerten Händen sind Kompressionsverbände oder Lymphtapes angesagt.

Auch wenn ihr mit keinen Einschränkungen zu tun hat, schadet es nicht, die Fingermotorik zu fördern! Im Gegenteil! Euer Körper wird es euch danken. Und wenn es spielerisch und ganz nebenbei passiert – umso besser!

Ich wünsche Euch viel Freude beim Umsetzen dieser Anregungen und freue mich wie immer auch über Erfahrungen und Tipps von euch, die ich auf dieser Plattform mit anderen Betroffenen teilen kann.

Unser nächster Blogbeitrag  ´Wie kann man das gegenseitige Verständnis für Diversität im Betrieb fördern?` erscheint am kommenden Donnerstag, 02.05.2024! Auf bald, eure Sabine