Obwohl die Atmung einen immensen Beitrag zu unserem gesundheitlichen Wohlbefinden beitragen kann, schenken die meisten Menschen ihr viel zu wenig Beachtung. Gott sei Dank „atmet es sich“ ja von selbst dank unseres autonomen Nervensystems. 😊 Dennoch kann man bewusst positiv auf die Atmung einwirken und immerhin kennen viele von uns in stressigen Situationen Sprichwörter wie „jetzt erst einmal tief durchatmen“ oder Ähnliches. Aber warum sagt man so etwas überhaupt? Oder was hat es damit auf sich? Die richtige Atmung, die sogenannte Vollatmung (=Bauch- und Zwerchfellatmung), ist dann gegeben, wenn neben der Brustbein- und Flankenatmung (=Brust- und Schulteratmung), auch der Bauch mit an der Atmung beteiligt ist. In diesem Fall schiebt sich bei ausreichender Einatmung das Zwerchfell in die Bauchhöhle, wodurch sich der Bauch nach vorne wölbt. In Stresssituationen oder bei Angst neigen wir dazu, zu flach zu atmen.  Wir atmen dann oberflächlich, so dass die Atmung kürzer und vom Volumen her weniger ist. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen atmen 60 bis 80 % der Menschen viel flacher als gesund ist.

Die flache Atmung ist daran zu erkennen, dass sich lediglich unser Brustbein auf und ab senkt, und gegebenenfalls die Flanken zur Seite bewegen. Diese Atmung erreicht jedoch nicht den Bauch wie bei der Vollatmung. Infolge dieser flachen Atmung wird die Lunge nur teilbelüftet (im oberen Bereich) und der Körper wird mit weniger Sauerstoff als üblich versorgt. Gleichzeitig steigt der Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut an. Um dies zu kompensieren, also um dennoch weiter auf genügend Sauerstoff zurückgreifen können, atmen wir schneller. Dies kostet zusätzliche Energie.

Außerdem kann es zu folgenden Problemen kommen: Muskelverspannungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Leistungsabfall, Herz-Kreislauf-Probleme, Magen-Darm-Probleme, psychische Probleme wie Angststörungen und Depressionen.

Da MS-Betroffene bereits durch die Erkrankung unter Müdigkeitserscheinungen (Fatigue) und/oder Depressionen leiden können, ist die zusätzliche Belastung des Körpers durch eine zu flache Atmung ungünstig und es besteht die Möglichkeit, dass sich Symptome verstärken.

Mithilfe von einfachen Methoden können wir unsere Atmung günstig beeinflussen und den oben genannten Problemen selbst entgegenwirken. Das Schöne dabei ist, dass man diese Übungen an allen Orten dieser Welt ausführen kann. Neben der geschützten Umgebung im häuslichen Umfeld, bietet es sich an, Atemübungen vor allem am Arbeitsplatz durchzuführen. Gerade hier fühlen sich schließlich einige von uns häufig gestresst und getrieben.

Bewusste Atmung (oder Kontaktatmung)

Um sich seiner Atmung bewusst zu werden, kann man erst einmal beginnen seinen Atem mit voller Aufmerksamkeit zu beobachten. Dazu empfehle ich z.B. einen aufrechten Sitz mit aufrechter Wirbelsäule, abgesenkten und geöffneten Schultern, entspannt aufliegende Armen (z.B. auf Armlehnen), mindestens hüftbreit auseinander stehenden Beinen und entspannt aufliegenden Füßen mit vollständigem Bodenkontakt (oder Fußstützenkontakt; ein Fußhöckerchen tut es auch 😊). Im Liegen kann man ebenfalls wunderbar (bewusst) atmen, aber wer von uns hat auf der Arbeit schon die Möglichkeit zu liegen? 😉

Nun beginnt man, den Fokus auf die Atemfrequenz (ein gesunder Erwachsener atmet im Durchschnitt 12- bis 20-mal pro Minute) und die Atemtiefe zu legen. Um zu überprüfen, ob man eher oberflächlich oder tief atmet, kann man seine Hände auf die Stellen legen, wo die Atmung bei einer Vollatmung zu spüren sein sollte: am Brustbein, an den Flanken und vor allem am Bauch. Bei einer Vollatmung spürt man den Atem in allen drei Bereichen beginnend am Brustbein und endend an der Bauchdecke (Einatmung).

Die bewusste Atmung kann sehr hilfreich bei Stress sein.

Die Nasenatmung

Bei dieser Übung achtet ihr darauf, dass die Einatmung tatsächlich durch die Nase erfolgt. Bei einer verstopften Nase kann dies möglicherweise erschwert bis unmöglich sein. Um in diesem Fall die Nase freizubekommen, besteht die Möglichkeit, mithilfe einer Nasendusche (Apotheke oder Drogerie), eines Dampfbades oder eines Inhalators, die Nase mittels Wasser und Kochsalz freizubekommen.

Die Nasenatmung beruhigt den Geist und sorgt erwiesenermaßen für eine gesteigerte Hirnleistung (die Kommunikation zwischen einzelnen Gehirnarealen verbessert sich). Dagegen kann eine Mundatmung sogar der Zahngesundheit schaden und zu Karies führen.

Die 4711-Methode (wie das Kölnisch Wasser ;-) )

Bei der 4711-Methode geht ihr wie folgt vor:

  • Ihr atmet bis vier zählend ein
  • und atmet bis sieben zählend aus.
  • Das Ganze wiederholt ihr 11x.

Wenn euch das bis sieben zählend ausatmen anfangs zu lang erscheint, tastet euch nach und nach langsam vor.

Diese Methode gaukelt dem Körper vor, dass ihr schlaft und soll wie ein Powernap wirken, durch den du frische Energie tankst.

Bei erschwerter Atmung sind folgende Haltungen empfehlenswert:

Atemerleichternde Haltungen

Sie sind nützlich bei Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen, akuter Atemnot und bei Husten.

Alle atemerleichternden Stellungen basieren auf dem Grundprinzip der Entlastung des Oberkörpers stehend durch das Abstützen der Arme an der Wand oder auf den Knien (Torwartstellung; siehe Abbildung unten), umgekehrt sitzend auf einer Stuhlrückenlehne (Schülersitz), auf dem Boden (Stellung des Kindes) oder in der Haltung eines Kutschers:

Kutschersitz

Hierbei sitzt man stabil auf einem Stuhl oder an der Bettkannte. Die Unterarme werden auf den Oberschenkeln abgelegt und der Oberkörper nach vorne gebeugt und nach oben gewölbt (wie bei einem Katzenbuckel). Der Kopf hängt dabei entspannt nach unten.

In dieser Position bietet es sich an, die Methode der Lippenbremse anzuwenden:

Die Lippenbremse

Hierbei wird, wenn möglich durch die Nase ein, und durch den locker geschlossenen Mund (dadurch entsteht ein kleiner Widerstand beim Ausatmen) ausgeatmet bzw. die Luft ausgepustet.

Durch die Lippenbremse können wir den Atem verlangsamen, vertiefen und dadurch in Stresssituationen schnelle Abhilfe leisten. Bei belegten Bronchien kann diese Methode in Verbindung einer atemerleichterten Position Abhilfe beim Abhusten schaffen.

Ich wünsche euch wie immer viel Spaß mit den Übungen. Nach wie vor stehe ich euch gerne bei Unklarheiten zur Verfügung. Und nicht vergessen: Die Übungen macht ihr auf eigene Gefahr und Verantwortung!

Unser nächster Blogbeitrag `MS und Kälte – wie ihr damit umgehen könnt!` erscheint am kommenden Donnerstag, 09.11.2023! Auf ganz bald, eure Sabine