Ein Gastbeitrag von Frau G.

Es war der 20.08.2021.

An diesem Tag erhielt ich meine MS-Diagnose. Davon völlig überrumpelt wurde mir fast zeitgleich die Frage nach einer Basistherapie gestellt. Ehrlich gesagt war ich damit ziemlich überfordert. Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Am nächsten Tag sollte die Apothekerin vorbei kommen. Die Liste mit den möglichen „Anwärtern“ wurde mir direkt ausgehändigt. Als Krankenschwester wüsste ich ja Bescheid. Schon war ich alleine, im wahrsten Sinne des Wortes. Alleine mit dem Chaos in meinem Kopf, der Angst und der Unsicherheit, was jetzt auf mich zukam. So wie jeder andere Patient in einer solchen Situation auch. Allein gelassen und hilflos. Zu der Zeit hatte ich auch noch keinen Neurologen an meiner Seite, mit dem ich mich hätte besprechen können.
Die Apothekerin kam, erklärte einiges, gab sich sichtlich Mühe. Bei einem wie bei mir vermuteten moderaten Verlauf sollte die Wahl auf ein Medikament der ersten Wirk-Kategorie fallen. Das hatte mir der Arzt bei der Visite gerade empfohlen. Andere Optionen wurden mir nicht angeboten. Also traf ich eine Entscheidung, aus den für mich zu dem Zeitpunkt verfügbaren Informationen, alleine
Schnell stellten sich Nebenwirkungen ein. Magenschmerzen und Unverträglichkeiten gegen bestimmte Lebensmittel machten mir schwer zu schaffen. Auch nach einem Jahr trat keine Besserung ein. Dazu hatte ich weitere Schübe. Ich sprach mit meinem Neurologen. Inzwischen hatte ich zum Glück den Arzt meines Vertrauens gefunden.  Er schlug einen Wechsel vor. Doch es gab einige Ausschlusskriterien, zum Beispiel den Betablocker, den ich wegen einer Tachykardie (beschleunigter Herzschlag) einnehme. Er beriet mich ausführlich, gab mir alle nötigen Informationen und gemeinsam trafen wir eine neue Entscheidung. Mein Magen war darüber sehr dankbar und begann sich langsam zu erholen. Auch sonst fühlte ich mich mit der neuen Wahl recht wohl. Bekannte Nebenwirkungen blieben aus. Das war sehr vielversprechend. Der nächste Schub ließ jedoch nur ein halbes Jahr auf sich warten. Die Labor Kontrolle im Krankenhaus brachte eine Lymphopenie (Verringerung der Lymphozyten) zum Vorschein. Also pausierten wir die Einnahme.
3 Wochen nach dem Absetzen spürte ich eine deutliche Verbesserung. Mir ging es mental so gut, wie zuletzt vor der Diagnose. Auch hatte ich das Gefühl, endlich wieder einen klaren Kopf zu haben und mich besser konzentrieren zu können. Konnte es sein, dass es einen Zusammenhang gab zwischen der Anwendung und dieser Niedergeschlagenheit?
Also fing ich an, mich intensiv mit allen zur Verfügung stehenden Optionen zu beschäftigen. Fast täglich recherchierte ich zu einem bestimmten Medikament, wog Vor- und Nachteile ab und setzte mich mit der Verabreichung auseinander. Daneben nahm ich Veranstaltungen zum Thema wahr, las Erfahrungsberichte. Ich stellte Fragen in verschiedenen Foren, sprach mit anderen Betroffenen, informierte mich über alle Aspekte, auch die mentale Seite. Die Fragen an mich waren dabei: Welche Erwartungen stelle ich an ein Medikament? Wie häufig möchte ich mich damit auseinandersetzen? Welche Verabreichungsform kommt in Frage? Sind die Nebenwirkungen akzeptabel? Wie passt es zu meinem Lebensstil und den Wunsch auf möglichst wenig Einschränkung?
Die Blutwerte waren nach 6 Wochen wieder im Normbereich, meine Entscheidungsfindung aber noch in vollem Gange. Mein Neurologe ließ mir die Zeit, die ich benötigte. Er beantwortet jede noch so abwegig erscheinende Frage, weiß um meine Bedenken und gibt Hinweise und Empfehlungen. Bei ihm fühle ich mich als gleichberechtigter Partner, auf Augenhöhe.
In der Zwischenzeit habe ich eine neue Basistherapie begonnen und mich für eine subkutane Injektion entschieden. Der Pen erledigt dabei das Meiste selbst, ich muss ihn nur auf die Haut aufsetzen und einen Moment abwarten. Mein Kalender erinnert mich an die nächste Gabe und ich habe den Kopf wieder frei für andere Dinge.

Vielen Dank für den interessanten Beitrag! & Unser nächster Blogbeitrag „Tipps für barrierefreie Wanderungen in Hessen ?“ erscheint am 12.04.24!  Bis dahin eine entspannte Zeit, eure Lisa 🙂