Die Selbsthilfegruppe als wesentliche Säule der Krankheitsbewältigung!?

Ein Gastbeitrag

von Frau P.:

Rechts das Bild ihrer Selbsthilfegruppe, von dem wir die Erlaubnis haben, es veröffentlichen zu dürfen:

Nach Wikipedia ist eine Selbsthilfegruppen „ein selbst organisierter Zusammenschluss von Menschen, die ein gleiches Problem oder Anliegen haben und gemeinsam etwas dagegen bzw. dafür unternehmen möchten. Typische Probleme sind etwa der Umgang mit chronischen oder seltenen Krankheiten, mit Lebenskrisen oder belastenden sozialen Situationen. Es gibt allerdings auch themen-offene Selbsthilfegruppe, z. B. themenoffene Männergruppen. Die Zahl der Selbsthilfegruppen in Deutschland wird auf 70.000–100.000 geschätzt. Laut dem telefonischen Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts 2003 waren etwa 9 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands schon einmal Teilnehmer einer Selbsthilfegruppe. Fragt man danach, wie hoch der Anteil derer ist, die zum Zeitpunkt der Befragung eine Selbsthilfegruppe besuchen, so lag dieser 2005 bei 2,8 Prozent“.
Bezogen auf Multiple Sklerose als chronische Erkrankung bedeutet die Selbsthilfegruppe also für den einzelnen die Kommunikation mit anderen MS- Patienten, aber auch für deren Angehörige. Dadurch können sie sich gegenseitig stärken und neuen Mut fassen. Auch geben sich die an MS  Betroffenen oder deren Angehörige wichtige Hilfestellungen für das Leben mit der Krankheit.
Selbsthilfegruppen dienen also im Wesentlichen dem Informations- und Erfahrungsaustausch von Betroffenen und Angehörigen, der praktischen Lebenshilfe sowie der gegenseitigen emotionalen Unterstützung und Motivation. Darüber hinaus können Selbsthilfegruppen durch entsprechende Organisationen in unterschiedlichem Grad die Belange ihrer Mitglieder nach außen vertreten. Die häufigste Organisationsform ist dabei der eingetragene Verein, der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit, Unterstützung von Forschungsprojekten bis hin zur politischen Interessenvertretung leisten kann. Selbsthilfegruppen ohne Angabe der Rechtsform werden als Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) behandelt.[4] Selbsthilfegruppen werden meist ehrenamtlich geleitet. Unter bestimmten Voraussetzungen können Selbsthilfegruppen im Rahmen der Selbsthilfeförderung nach § 20h SGB V die Kosten für Büro, Räume, Öffentlichkeitsarbeit etc. erstattet bekommen.

Ob jetzt die Selbsthilfegruppe eine wesentliche Säule der Krankheitsbewältigung ist?…

„Sie haben Multiple Sklerose“, hieß es im Sommer 2012. Ich ahnte nicht, wie diese vier Worte mich persönlich verändern und ungeahnte innere Kräfte mobilisieren würden…
Die Diagnose war ein Schlag in die Magengrube. Ich nahm meinen Sohn, der noch im Maxi Così saß, und ging mit ihm nach Hause. Ich stand voll im Leben, hatte vor 6 Monaten unser Kind geboren und kurz drauf den Kindsvater geheiratet. Auch hatte ich den Job auf den ich Jahre lang hinarbeitete. Meine Definition über die Arbeit war mein Credo…
Meine neue Realität passte zu der Zeit überhaupt nicht in mein Selbstbild. MS wurde von mir lange Zeit nicht in den Mund genommen. Da würde ich es ja akzeptieren und dem war nicht so! Noch etwa 6 Jahre konnte ich „normal“ damit weiterleben, man konnte ja nichts sehen. NOCH NICHT! Mit der Zeit schlichen sich jedoch für mich untypische Fehler in meine Arbeit ein. Meine Kollegen nahmen an, ich sei plötzlich unkonzentriert, desinteressiert und nicht bei der Sache. Entsprechend verschlechterte sich das Arbeitsklima. Ich zog mich zunehmend zurück und verlor sukzessive mein Selbstwertgefühl. Ich musste verstehen, dass es die Dorit die ich bis dahin kannte nicht mehr gab. Es stellte sich heraus, dass es ein Fehler war, meine „neue Realität“ nicht anzunehmen.
Es musste sich was ändern- ICH musste mich verändern!
Um niemandem mehr beweisen zu müssen was ich ja gar nicht mehr konnte und den damit einhergehenden ständigen Misserfolgen aus dem Weg zu gehen, beantragte ich eine Erwerbsunfähigkeitsrente und bekam sie nach 12 Monaten.  Ich suchte endlich den Kontakt zu Gleichbetroffenen und meldete mich in der Plattform MS Connect an. Prompt lernte ich nette MS- Betroffene in meiner Nähe kennen. Mit einer neu gewonnenen, ebenfalls betroffenen, Freundin besuchte ich eine Selbsthilfegruppe in Fulda. Es tat unheimlich gut, sich nicht schämen zu müssen, das man „komisch“ und langsamer Läuft, oder Sachen vergisst die man doch gerade erst gehört hat…
Endlich Menschen, die nicht nur theoretisch erahnen konnten wie es einem ging, sondern es selbst erlebten und einem auf Augenhöhe begegneten.Auch klagte keiner über sein Schicksal oder sprach ständig darüber… Es ist vielmehr ein buntes Potpourri aus interessanten Gesprächen u.a. mit wertvollen Tipps zu Rechten, Anträgen, Vorträgen u.a. zu neuen Erkenntnissen aus der Medizin aus dem Bereich Multiple Sklerose, Informationen zu Medikamenten, Informationen zum Schwerbehindertenrecht, Beantragung Schwerbehinderung, Höherstufung und Schwerbehinderten Ausweis. 
Aber auch Ausflüge und Spaß. Das Gefühl dazu zu gehören und angenommen zu sein wie man war, hat enorm zu meinem jetzigen Selbstbewusstsein, dass dem alten deutlich ähnlicher ist, beigetragen. Auch merke ich, dass mein Lachen zurück kommt und ich mir neue Ziele setze (z.B. sind wir gerade dabei ein barrierefreies Haus zu bauen).  Meine Neugewonnene Freundin stellte letzte Woche fest, dass ich nicht mehr nur in der Vergangenheit lebe sondern endlich im Hier und Jetzt. Die in der Überschrift gestellte Frage, ob die Selbsthilfegruppe eine wesentliche Säule der Krankheitsbewältigung ist, kann ich im Ergebnis meiner Erfahrungen in der Gruppe nur ausdrücklich bejahen und empfehle jedem Neubetroffenen, nicht den gleichen schmerzhaften und unnötigen Umweg zu gehen, den ich gegangen bin!

Unser nächster Blogbeitrag „Gesunder Lebensstil: Vitalität&Lebensfreude oder doch eher Anstrengung und Frust?“ erscheint am 29.02.24!  Bis dahin eine entspannte Zeit, eure Lisa 🙂