Liebe Leserinnen und Leser,

die Entscheidung, eine Familie zu gründen, ist eine aufregende Reise voller (Vor-) Freude und Hoffnung, für jede/n von uns. Doch für Frauen, die mit Multipler Sklerose (MS) leben, kann dieser Weg mit einzigartigen Herausforderungen verbunden sein. 

Die Schwangerschaft bei Frauen mit Multipler Sklerose ist zweifellos ein komplexes und facettenreiches Thema, das viele Überlegungen und Fragen aufwirft. Die Vielfalt der individuellen Erfahrungen, medizinischen Verläufe und persönlichen Herausforderungen ist so groß, dass es sinnvoll ist, individuelle Fragen und Anliegen beispielweise mit unseren BeraterInnen vor Ort in den Regionalstellen zu besprechen. Aus diesem Grund möchte ich zunächst dazu ermutigen, sich tiefergehende Unterstützung und Infos bei unseren erfahrenen BeraterInnen einzuholen. Spezielle Fragen oder individuelle Anliegen erfordern oft eine persönliche Beratung, in deren Rahmen man auch individuell auf persönliche Situationen eingehen kann. 

In diesem Blogbeitrag möchte ich zunächst einige grundsätzliche Fragen und Themen besprechen. Die Schwangerschaft mit Multiple Sklerose ist ein facettenreiches Thema, das viele Aspekte umfasst. Denn für werdende Mütter mit MS ist die Zeit der Schwangerschaft oft von einem Zusammenspiel aus Freude und Unsicherheit geprägt. Die Veränderungen im Körper, die mit der Schwangerschaft einhergehen, können sowohl positive als auch herausfordernde Auswirkungen auf den Verlauf der MS haben. Es ist wichtig, sich diesen Aspekten bewusst zu sein und die bestmögliche Unterstützung zu finden, um die Gesundheit der Mutter und die Entwicklung des Babys zu gewährleisten. Für eine tiefgehender Betrachtung und umfassendere Informationen plane ich daher in Zukunft weitere Blogbeiträge zu spezifischen Unterthemen zu veröffentlichen. Gerne auch mit Euren Fragen, Anregungen und Erfahrungen!

Etwa 30 Prozent der etwa 280.000 an Multipler Sklerose Erkrankten in Deutschland sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Gerade für sie spielen Themen wie Kinderwunsch, Schwangerschaft und Elternschaft eine große Rolle – insbesondere vor dem Hintergrund ihrer lebenslangen Erkrankung, deren Verlaufsentwicklung und Symptomauswirkung auf den Alltag nicht vorhersehbar ist.
Somit zunächst eine der häufigsten und grundlegendsten Fragen als allererstes: Kann man mit MS schwanger werden?
Bisher gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass MS die Fruchtbarkeit von sowohl Männern als auch Frauen beeinträchtigt. Das bedeutet, dass auch Frauen, die mit MS leben, die Möglichkeit haben, schwanger zu werden. Die Herausforderung besteht oft darin, die Schwangerschaft so zu gestalten, dass sowohl die Gesundheit der Mutter als auch die des ungeborenen Kindes optimal geschützt sind.  Somit ist die Familienplanung mit MS grundsätzlich möglich.
Wie sieht es mit dem Schubrisiko während der Schwangerschaft aus?
Eine der häufigsten Fragen, die sich werdende Mütter mit Multipler Sklerose stellen, bezieht sich auf das Schubrisiko während der Schwangerschaft. Die gute Nachricht ist, dass viele Frauen eine Verbesserung ihres MS-Verlaufs während dieser Zeit erleben. Während der Schwangerschaft zeigt sich bei vielen Frauen mit MS eine natürliche Reduktion von Schüben. Dies wird auf die immunsuppressive Wirkung bestimmter Schwangerschaftshormone zurückgeführt. In den meisten Fällen stabilisiert sich der Krankheitsverlauf, und einige Frauen erleben sogar eine vorübergehende Besserung ihrer Symptome. Trotz dieser positiven Tendenzen ist es entscheidend, dass Frauen mit MS während der Schwangerschaft eng mit ihren behandelnden Ärzten zusammenarbeiten. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen können helfen, den Krankheitsverlauf zu überwachen und etwaige Anpassungen in der Behandlung vorzunehmen. Allerdings steigt das Risiko für Schübe unmittelbar nach der Geburt oft an und sinkt dann langfristig wieder auf das Niveau, das vor der Schwangerschaft bestand. Der Anstieg des Schubrisikos nach der Geburt wird oft auf hormonelle Veränderungen und den Rückgang der immunsuppressiven Wirkung der Schwangerschaftshormone zurückgeführt.
Wie kann eine MS Therapie vor, während und nach einer Schwangerschaft aussehen?

Vor der Schwangerschaft:

  • Es ist ratsam, bereits vor der Schwangerschaft mit dem behandelnden Neurologen zu sprechen, um sicherzustellen, dass die gewählte Therapie den individuellen Bedürfnissen entspricht.
  • Falls eine Frau vor der Schwangerschaft hochwirksame immunmodulierende Medikamente einnimmt, könnte es notwendig sein, diese vor der Empfängnis zu pausieren, da viele dieser Medikamente während der Schwangerschaft vermieden werden..

Therapie während der Schwangerschaft:

  • Einige Medikamente, die vor der Schwangerschaft eingenommen wurden, könnten während der Schwangerschaft kontraindiziert sein.
  • In Absprache mit dem Arzt kann eine Anpassung der Medikation notwendig sein, um sowohl die Gesundheit der Mutter als auch die Sicherheit des ungeborenen Kindes zu gewährleisten.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen mit dem Neurologen während der Schwangerschaft sind entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu überwachen und Anpassungen in der Therapie vorzunehmen, falls erforderlich.
  • Es ist wichtig, auch symptomatische Therapien in Betracht zu ziehen, um eventuelle Beschwerden wie Fatigue, Spastik oder Schmerzen während der Schwangerschaft zu lindern.

Nachsorge und Postpartum-Phase:

  • Nach der Geburt erfolgt eine erneute Evaluierung der MS-Therapie, da sich das Schubrisiko in dieser Phase ändern kann.
  • Die Entscheidungen zur Wiederaufnahme oder Anpassung der Therapie hängen von individuellen Faktoren und der Stillzeit ab.
Gibt es aufgrund der MS spezielle Risiken für die Schwangerschaft, für die Geburt oder für das Baby?

Ja, Frauen mit MS können während der Schwangerschaft und bei der Geburt auf einige spezifische Risiken stoßen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass viele Frauen mit MS gesunde Schwangerschaften erleben. Hier sind einige der potenziellen Risiken:

Medikamentöse Risiken:

  • Einige Medikamente, die zur Behandlung von MS eingesetzt werden, könnten während der Schwangerschaft kontraindiziert sein. Die Entscheidung, die Medikation anzupassen oder beizubehalten, sollte in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.

Geburt und körperliche Belastung:

  • Frauen mit eingeschränkter Mobilität oder Muskelkraft könnten während der Geburt zusätzlichen Herausforderungen gegenüberstehen. Es ist wichtig, dies vorher mit dem Geburtsteam zu besprechen, um die bestmögliche Unterstützung sicherzustellen.

Postpartale Anpassungen:

  • Die Zeit nach der Geburt erfordert eine erneute Evaluierung der MS-Therapie, da sich das Schubrisiko ändern kann. Dies beeinflusst auch Entscheidungen bezüglich der Stillzeit und der Wiederaufnahme von Medikamenten.

Trotz dieser potenziellen Risiken erleben die meisten Frauen mit MS gesunde Schwangerschaften und Geburten. Eine sorgfältige Planung und Kommunikation mit dem medizinischen Team sind entscheidend, um individuelle Risiken zu minimieren und die bestmögliche Betreuung zu gewährleisten.

Generell gibt es keine Anzeichen dafür, dass Multiple Sklerose das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Blutungen oder Fehlgeburten erhöht. Du hast die gleichen Geburtsoptionen wie nicht betroffene Frauen. Unabhängig von MS kannst du gemeinsam mit deinem Arzt entscheiden, ob ein Kaiserschnitt oder eine natürliche Geburt besser geeignet ist. Auch die Anwendung einer Rückenmarksanästhesie ist bei MS möglich. Dasselbe gilt ebenfalls fürs Stillen.

Generell wird das Stillen sogar bei MS empfohlen, denn es kann einen positiven Einfluss auf die Schubrate nach der Geburt haben. Jedoch ist bezüglich MS-Medikamenten noch nicht ausreichend geklärt, in welchem Umfang bestimmte Medikamente in die Muttermilch übergehen und welche Auswirkungen dies haben könnte. Daher sind nicht alle MS-Medikamente während der Stillzeit zugelassen. Dies wird dein Arzt/ deine Ärztin jedoch mit dir abstimmen. Und grundsätzlich gilt auch hier: Stillen kann die Bindung zwischen Mutter und Kind enorm fördern, und darüber hinaus bietet Muttermilch deinem Baby nicht nur Nahrung, sondern enthält auch wertvolle Antikörper. Diese Antikörper tragen dazu bei, das Immunsystem des Babys aufzubauen und zu stärken.

Und zuallerletzt: die Übertragung von Multiple Sklerose auf die nächste Generation erfolgt nicht auf klassische vererbliche Weise. Ob die Krankheit im Laufe des Lebens ausbricht oder nicht, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Spezifisch besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elternteil mit MS die Erkrankung an sein Kind weitergibt, bei lediglich zwei Prozent. Wenn beide Elternteile an MS leiden, erhöht sich das Risiko, dass auch das Kind erkrankt, auf 20 Prozent. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Zahlen allgemeine Schätzungen sind und nicht vorhersagen können, ob ein bestimmtes Kind tatsächlich an MS erkranken wird. Es ist wichtig, dass du -wenn du dir bezüglich der genetischen Veranlagung für MS Sorgen machst, mit eurem Arzt sprecht, um individuelle Risiken und Präventionsmöglichkeiten zu besprechen.

Mit diesem Blogbeitrag habe ich hoffentlich zunächst einige Grundlagen abgedeckt und einige der wichtigen Fragen beleuchtet, die oft auftauchen. In den nächsten Monaten werde ich noch weitere spezifische Themen in diesem Bereich veröffentlichen, um euch noch umfassendere Einblicke und Ratschläge zu bieten.

Unser nächster Blogbeitrag „Aktive Gesundheit: wie kann ich selbst aktiv werden?“ erscheint am 01.02.24!  Bis dahin eine entspannte Zeit, eure Lisa 🙂