Fühlst Du Dich im Gleichgewicht? Spontan fallen mir dazu einige Aspekte ein, was man darunter verstehen kann:

  • Nur auf das Körperliche bezogen: kann ich meinen Körper in jeglichen Ausgangstellungen in Balance halten?
  • Nur auf das Seelische bezogen: ruhe ich in mir oder lass ich mich schnell aus der Ruhe/aus dem Gleichgewicht bringen?
  • Auf den Geist bezogen: befinde ich mich hier im Gleichgewicht oder bin ich unkonzentriert und zerstreut. Kann ich mich schlecht oder nur für einen kurzen Moment konzentrieren?
  • Auf Körper, Geist und Seele bezogen: Sind diese im Einklang miteinander oder überwiegt eins davon mehr? Bin ich sehr kopflastig unterwegs und habe wenig Bezug zu meinem Körper? Werde ich stark von meinem seelischen Zustand bestimmt? Oder bin ich eine sehr körperliche orientierte Person und versuche mich mit meinem Innersten besser gar nicht zu beschäftigen?

Was die heutigen Übungsempfehlungen angeht (für den seelischen Ausgleich gab es ja letzte Woche eine kostenlose Traumreise 😉), möchte ich den Schwerpunkt auf das Körperliche legen, denn hier kenne ich mich am besten aus. 😊 Dennoch sind die anderen Komponenten in Bezug auf das Gleichgewicht nicht weniger wichtig. Ihr werdet sehen, dass das Körperliche unweigerlich auch mit allem anderen verbunden ist. Was meine ich damit? Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse haben ergeben, dass ein regelmäßiges Gleichgewichtstraining bei einer Fatigue sehr gut helfen kann. Das Mehr an Energie (körperlich und geistig) durch das Training macht es möglich, den Alltag wieder leichter zu bewältigen. Umgekehrt können Angst, Depressionen, Schizophrenie und andere psychische Erkrankungen sich ungünstig auf die Körperhaltung auswirken. Das führt unweigerlich dazu, dass es schwieriger wird, den Körper in Balance zu halten. Die Gefahr eines Sturzes erhöht sich.

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse haben ergeben, dass ein regelmäßiges Gleichgewichtstraining sehr gut bei einer Fatigue helfen kann.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt allen ab 65 Jahren an drei Tagen die Woche ein Gleichgewichtstraining zu absolvieren, um Stürze vorzubeugen. Denn ein schlechtes Gleichgewicht gehört zu einen der Ursache für Stürze. Diese können im schlimmsten Fall dazu führen, dass ältere Menschen sich von dem Sturz nicht mehr richtig erholen, dadurch unselbständig und pflegebedürftig werden. Darüber hinaus ist Gleichgewichtstraining aber für jede(n) sinnvoll. Denn die Zahl an Stürzen nimmt auch bei Jüngeren zu. Das viele Sitzen wird u.a. dafür verantwortlich gemacht. Nach Verkehrsunfällen sind Stürze weltweit sogar die zweithäufigste Ursache für tödliche Unfälle.

Unser Gleichgewichtssystem ist ein ausgeklügeltes System, bei dem neben den psychischen und seelischen Faktoren viele körperliche Strukturen eine Rolle spielen: Muskeln, Bänder, Sehnen, das Gehirn (besonders das Cerebellum=Kleinhirn), die Augen, das InnenohrDie Kommunikation zwischen diesen muss gut funktionieren, damit wir im Gleichgewicht sein können. Bei einer fehlenden Rückkoppelung durch Sensibilitätsstörungen, eine gestörten Tiefensensibilität (wenn man nicht fühlt in welcher Stellung sich die Gelenke befinden), ein beeinträchtigtes Sehvermögen, verkrampfte Muskeln oder eine Depression in Folge einer MS-Erkrankung, hat es der Köper deutlich schwerer, sich zu justieren.

Der Einbeinstand ist sowohl ein guter Test, um zu beurteilen wie es um das Gleichgewicht steht, als auch eine gute Übung an sich, um das Gleichgewicht zu trainieren. Anhand der folgenden Übersicht könnt ihr herausfiltern, was die Norm in jeder Alterspanne können sollte. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass diese für Menschen ohne MS erstellt wurde! Die MS kann mit Gleichgewichtsstörungen einhergehen, weswegen ihr euch nur bedingt daran messen solltet. Dennoch ist der Einbeinstand ein gutes Mittel, um es als persönliche Messlatte zu nutzen. Denn wenn ihr euer Gleichgewicht regelmäßig trainiert, könnt ihr Fortschritte erzielen. Diese könnt ihr mit einem Test wie diesen ermitteln.

Einbeinstand aus einer Studie von 2007 (die in Klammern gesetzten Zahlen gelten für den Einbeinstand mit geschlossenen Augen):
  • 8 – 39 Jahre: 45 Sekunden (15 Sekunden)
  • 40 – 49 Jahre: 42 Sekunden (13 Sekunden)
  • 50 – 59 Jahre: 41 Sekunden (8,3 Sekunden)
  • 60 – 69 Jahre: 32 Sekunden (4,5 Sekunden)
  • 70 – 79 Jahre: 21,5 Sekunden (3 Sekunden)
  • 80 – 99 Jahre: 10 Sekunden (2 Sekunden)

Eine abgewandelte Form für den Test könnte sein: stehen auf 1 ½ Füßen (ein Fuß steht ganz auf und der andere nur mit dem Fußballen) oder auf zwei Beinen, welche anfangs sehr weit auseinander stehen und im Laufe der Zeit sich immer weiter annähern, also schmalspuriger werden. Auch ein freier Sitz auf einer oder zwei Pobacken kann als Parameter genommen werden. Gut ist generell eine Aktivität, für die man sich anstrengen muss. Fällt diese einem irgendwann leicht, sollte man sich etwas Schwierigeres als Messlatte nehmen. Und um Vergleiche zu erzielen (also um zu beurteilen, ob das Gleichgewicht besser wird), sollte beim Testen die Ausgangsstellung und die Umgebungsfaktoren stets die Gleichen sein: gleicher Untergrund, immer mit oder ohne Schuhe, gleicher Stuhl… was auch immer.

Was könnt ihr tun, um das Gleichgewicht zu trainieren? Ihr müsst Euren Körper in Ausgangstellungen bringen, die ihn aus der Balance bringen. Bei manchen geht das schnell, bei manchen braucht es mehr Anstrengung. Je kleiner die Unterstützungsfläche wird, desto mehr ist der Körper gefordert, das Gleichgewicht zu halten. Man fängt am besten bodennah an, um u.a. die Angst vor dem Fallen zu minimieren und arbeitet sich nach und nach in die aufrechte Position hoch.

  • Im Liegen (auf einem festen Untergrund!), könnt ihr euch mal mit gestreckten Beinen auf die Seite legen und schauen, ob ihr das ausbalancieren könnt. Der untere Arm sollte dabei kopfwärts gestreckt (unter dem Kopf) liegen (wodurch der Körper eine Linie bildet).
  • Im Vierfüßlerstand könnt ihr ein Bein oder ein Arm in die Luft strecken (nicht weiter als schulter- oder hüftgelenkshoch), um zu prüfen, was das mit eurem Gleichgewicht macht. Danach ein Bein plus einen Arm, anschließend noch eine weitere Extremität (Arm oder Bein) … Zieht dabei den Bauchnabel zur Wirbelsäule bzw. spannt den Bauch an, um ein Hohlkreuz zu vermeiden. Die Hände drücken aktiv in den Boden. Dadurch „hängt“ ihr nicht in den Schultergelenken, sondern baut einen aktiven Stütz auf.
  • Ihr könnt euch in einen einbeinigen Kniestand begeben.
  • Im Sitzen könnt ihr euch auf eine Pobacke verlagern. Zur Steigerung macht ihr das mit übereinander geschlagenen Beinen.
  • Für den Stand habe ich euch weiter oben im Text einige Möglichkeiten beschrieben. Auch auf den Zehen oder auf den Fersen stehen fordert das Gleichgewichtssystem enorm.
  • Gehen: Versucht mal auf einer Linie zu balancieren.

Und jede bisher beschriebene Haltung wird gleich noch schwerer, wenn ihr die Augen dafür verschließt. Wenn ihr lieber mit Materialien übt, könnt ihr für die Übungen im Stand einen weichen Untergrund (Matte) wählen. Innerhalb der Therapie wird gerne auch eine Airex-Matte oder ein Wackelbrett genutzt. Lasst Eure Fantasie spielen und regt euren Gleichgewichtssinn an. Das lohnt sich IMMER!

Aber passt dabei bitte gut auf Euch auf! Wenn ihr stark sturzgefährdet seid, macht die Übungen nur im Beisein einer (therapeutischen) Person oder sichert euch ausreichend ab. Wie immer gilt für die Umsetzung meiner Empfehlung: alles geschieht auf eigene Verantwortung und Gefahr!!!

Unser nächster Blogbeitrag `Zwischen Vorfreude und Herausforderung: Schwangerschaft mit MS` erscheint am kommenden Donnerstag, 25.01.2024! Auf bald, eure Sabine