Wie Lisa letzte Woche bereits geschrieben hat, kann für manche Betroffenen Wärme und für manche Kälte ein Segen sein. Die meisten Betroffenen profitieren von gut dosierter Wärme, wenn sie mit Spastiken zu tun haben, da Muskulatur in der Regel auf Wärme mit Entspannung reagiert und dadurch besser „loslassen“ kann. Wenn wir an das Uthoff-Phänomen denken, sind die kälteren Monate für viele Betroffenen ein Segen, denn hier ist die Gefahr geringer, dass es in dieser Zeit aufritt. Durch das Uthoff-Phänomen kann durchaus auch eine bestehende Spastik ausgelöst oder verstärkt werden.

Wenn lokal (direkt auf der Muskulatur) mit Kälte oder Wärme gearbeitet wird, ist wichtig zu beachten, dass bei Sensibilitätsstörungen besondere Vorsicht geboten wird. Bevor in von Sensibilitätsstörungen beeinträchtigte Regionen lokal mit Wärme oder Kälte gearbeitet wird, sollten die Wärme- oder Kälte-Applikationen vorab im gesunden Hautareal getestet werden, weil ansonsten die Gefahr einer Verbrennung oder Erfrierung besteht.

Nachfolgend möchte ich euch erläutern, was man überhaupt unter einer Spastik versteht und wodurch sie neben thermischen Einflüssen noch beeinflusst werden kann.

Der Begriff ´Spastik` bzw. „Spasmos“ kommt aus dem griechischen Wortschatz, was so viel wie Krampf bedeutet. Eine Spastik ist eine erhöhte Muskelspannung, welche ungewollt zeitweise (=anfallartige oder phasische Form) oder konstant (=anhaltende bzw. tonische Form) vorhanden ist. Sie ist ein Symptom infolge einer Schädigung im zentralen Nervensystem im Gehirn oder auf Rückenmarksebene. Durch diese Schädigung kommt es zu einer fehlerhaften Nervenübertragung. Von einer Spastik kann ein Muskel oder können mehrere Muskeln am Körper betroffen sein.

In Bezug auf MS gibt es laut Literatur sehr unterschiedliche Angaben wie häufig das Symptom Spastik auftritt. Es heißt, dass 40 bis 80 % der Betroffenen im Laufe ihres Lebens eine Spastik entwickeln.

Ashworth-Skala (Ashworth 1964):

  1. Kein Widerstand bei passiver Bewegung.
  2. Leichte Erhöhung des Muskelwiderstands bei passiver Bewegung oder das sogenannte Taschenmesser-Phänomen (wie bei Öffnen eines Taschenmessers): zu Beginn der Bewegung erhöhter Widerstand, später im Verlauf der Bewegung nachlassender Widerstand oder aber auch ein leichter Widerstand am Ende der Bewegung.
  3. Deutlicher Muskelwiderstand während des gesamten Bewegungsverlaufs.
  4. Die passive Bewegung kann aufgrund des hohen Muskelwiderstands nicht ausgeführt werden.

Die Intensität einer Spastik wird u.a. mithilfe der sogenannten Ashworth-Skala gemessen. Hierbei wird die Spannungsintensität in der Regel durch einen Arzt/eine Ärztin oder einen Therapeuten/eine Therapeutin (Ergo- oder Physiotherapie) erhoben. Die Beurteilung basiert auf einem subjektiven Urteil, weswegen dieses umso wertvoller ist, wenn die Beurteilenden viele von Spastik betroffenen Menschen „in ihren Händen hatten“. Nur so können sie vergleichen und besser bewerten. 😊

Viele denken bei dem Thema Spastik erst einmal grundsätzlich an etwas Negativbehaftetes. Deswegen möchte ich hier heute mal mit den positiven Seiten einer Spastik beginnen.

Eine Spastik kann

  • an den betroffenen Stellen die Hautdurchblutung erhöhen. Bei einem (teil-)gelähmten Bein kann das beispielsweise günstig sein, denn das verringert das Risiko auf einen Dekubitus (=Druckgeschwür oder umgangssprachlich „Wundliegen“ oder „Wundsitzen“) in diesem Bereich.
  • den Kreislauf anregen und besonders bei Menschen mit einem niedrigen Blutdruck günstig sein.
  • das Muskelrelief beibehalten. Hier möchte ich wiederum das (teil-)gelähmte Bein erwähnen, dass ohne die Spastik durch die mangelnde Muskelmasse (vom Umfang her) durch die fehlende aktive Muskulatur sehr dünn werden kann.
  • Bei Funktionen unterstützend wirken, wenn die eigentliche Muskelkraft für die Funktion nicht vorhanden oder zu schwach ist.

Darüber hinaus kann eine Spastik jedoch auch

  • durch ihre überlegende Stärke vorhandene, schwache Muskulatur von ihrer Arbeit abhalten.
  • Schmerzen verursachen. Das ist vergleichbar mit einem verspannten Nacken oder einen Muskelkrampf z.B. in der Wade.
  • Bewegungen einschränken oder unmöglich machen. Bei einer extremen Spastik kann es dazu kommen, dass durch eine Muskelverkürzung und/oder -verknöcherung Gelenke nur noch teilweise oder gar nicht mehr bewegt werden können. Gelenksfehlstellungen können die Folge davon sein.
  • durch die oben genannten Beeinträchtigungen kommt es unter Umständen zum Funktionsverlust.

Wodurch kann eine Spastik u.a. beeinflusst werden?

  • Emotionen
  • Geräusche
  • Berührung
  • Bewegungstempo (aktiv oder passiv)
  • vegetatives Nervensystem (z.B. eine überfüllte Blase)
  • (Körper-)Temperatur
  • Infekt
  • Stress

Was kann man tun, um eine Spastik günstig zu beeinflussen?

  • Medikamenteneinnahme
  • Physio- oder Ergotherapie besonders in Form von funktionaler Haltung und/oder Bewegung
  • Entspannungsübungen (Atemübungen, progressive Muskelentspannung nach Jacobson, autogenes Training…, um Spannung der Muskulatur bzw. körperliche Anspannung zu senken (ggf. mit Unterstützung durch Musik oder Aromadüften)
  • Muskulatur sanft berühren/ ausstreichen
  • Dehnen
  • Wärme (lokal auf der Muskulatur oder in Form von Sauna oder Badewanne) oder Kälte (lokal mit Eis, in Form von Kältekammern oder einfach im Winter rausgehen)
  • Schienen/Orthesen, um Gelenkfehlstellungen zu verhindern oder um diese zu korrigieren
  • Elektrostimulation zur Senkung der Muskelspannung oder in Kombination mit einer Muskelaktivierung von schwacher Muskulatur.

Kommt selbst ins Handeln

Bei vielen oben genannten Faktoren seid ihr von Fremdhilfe abhängig. Dennoch könnt ihr auch einiges dazu beitragen, eure Spastik positiv mit zu beeinflussen. Neben Entspannungsübungen könnt ihr euch Tipps von euren TherapeutInnen holen, welche individuellen Haltungen und/oder Übungen, die ihr eigenständig einnehmen (Haltungen) bzw. durchführen könnt, günstig für euch sind. Bei stark ausgeprägten Spastiken ist dies möglicherweise nicht oder nur sehr begrenzt möglich.

Ich wünsche Euch viel Spaß und Erfolg bei der Umsetzung dieser Anregungen. Wenn jemand von euch weitere, hilfreiche und im besten Fall auch selbst erprobte Tipps für den Umgang mit Spastik hat, würden wir uns freuen, wenn ihr diese mit uns und den anderen LeserInnen teilt! Bei der Behandlung von Spastik zahlt sich in der Regel Geduld aus! Und nicht vergessen: Die Tipps-Umsetzung macht ihr auf eigene Gefahr und Verantwortung!

Unser nächster Blogbeitrag `Mit antientzündlicher Ernährung durch die Weihnachtszeit „schlemmen“` erscheint am kommenden Donnerstag, 23.11.2023! Auf Wiederlesen, eure Sabine